Teil 2
Was bisher geschah:
Die Bewohner eines kleinen abgelegenen Dorfes leiden unter der damit verbundenen Einsamkeit. Als eine Göttin sich ihrer erbarmt und ihnen eine Quelle schenkt, wendet sich ihr Schicksal endlich zum Guten. Bis ein Adeliger sich aus purer Gier ihrer bemächtigt.
Das Ende der Quelle
Hingegen war der hohe Herr geradezu entzückt, über die Menge an Geld, die er mit der Quelle einnehmen konnte. Freudestrahlend pflegte er Tag für Tag am Rande des Wassers an einem Tisch zu sitzen und die Einnahmen zu zählen, bis eines Abends eine alte Bettlerin des Weges kam und um Einlass in die Quelle bat. »Meine Glieder schmerzen so fürchterlich, es ist kaum mehr auszuhalten. Bitte helft mir und lasst mich im Wasser baden, damit es mir bald wieder bessergeht.«, bat sie den Adeligen, doch dieser verzog nur angewidert sein Gesicht. »Selbst, wenn du nicht derart schmutzig wärst, würde ich dich nicht hineinlassen. Es sei denn, du kannst mich entlohnen. In Anbetracht deiner Erscheinung wäre es nur fair, wenn du mir doppelt so viel zahlst, wie meine übrigen, sauberen Gäste. Wenn du das nicht kannst, dann scher dich weg. Du bist eine Zumutung für uns alle.«, sprach der Mann kaltherzig.
Noch im selben Moment, als die Worte gesprochen waren, bereute er sie zutiefst. Denn kaum, dass die alte Bettlerin ihren schmutzigen Umhang niedergeworfen hatte, erschien die Göttin darunter, aus deren Mitleid die Quelle entsprungen war. Sogleich versuchte sich der Mann zu entschuldigen, doch davon wollte sein Gegenüber nichts hören. »Deine Gier hat nun ein Ende. Verflucht seist du, bis an jenen Tag, an dem du einem Bedürftigen ein uneigennütziges Geschenk machst. Solange nehme ich auch die Quelle mit mir.«, beschied sie und verschwand, mitsamt der Quelle. Zurück blieb ein leeres Loch in der Erde.
Eine vertrackte Suche
Das Verschwinden der Quelle und der Göttin, brachten fürchterliche Folgen für den Adeligen mit sich. Seine bisher zahlenden Gäste verlangten ihr Geld zurück und reisten unverzüglich ab. Kaum waren sie fort, breitete sich über seine gesamte Haut ein schauderhafter Ausschlag aus, der nicht nur unschön anzusehen war, sondern von dem auch ein äußerst unangenehmer Geruch ausging, sodass ihm schon bald niemand mehr zu nahekommen wollte. Selbst seine eigene Ehefrau und seine Kinder nicht. Angsterfüllt suchte der Geschundene einen Arzt auf, der ihm jedoch nach einigen Untersuchungen beschied, nicht helfen zu können. Unzufrieden mit der Antwort, begab sich der Adelige auf Reisen, stets auf der Suche nach Heilung, die er jedoch nirgends fand. Von Angst getrieben, erlaubte er sich nicht aufzugeben, sondern machte weiter, wodurch er innerhalb kürzester Zeit sein gesamtes Vermögen verschleudert hatte, sodass er letztendlich selbst zum Bettler wurde, der von anderen schlecht behandelt wurde.
Ein selbstloses Geschenk
Die Wochen vergingen und die Verzweiflung des Mannes wurde immer größer, bis sie ihn letztendlich übermannte. Am Ende seiner Kräfte angelangt, ließ sich der Bettler eines Morgens in das noch nasse Gras am Ufer eines Flusses fallen. Es war ihm mittlerweile egal, was aus ihm werden würde. Er wollte einfach nur dasitzen und auf den Tod warten. Doch da bemerkte er unweit von sich zwei Männer, die auf einen Dritten einprügelten, der hilflos am Boden zusammengesunken war. Ohne nachzudenken stürzte der Bettler los, um dem Opfer beizustehen. »Haltet ein, ich flehe euch an!«, rief er und warf sich ins Getümmel. »Geh zur Seite, du schauderhafte Kreatur. Das hier geht dich nichts an.«, rief einer der Männer zornig, wich jedoch angewidert vor seinem Gegenüber zurück. »Nein, denn dann schlagt ihr ihn tot und das wäre nicht Recht.« »Der Mistkerl schuldet uns Geld. Wenn wir das nicht bekommen, wollen wir eben sein Blut sehen. Jetzt verschwinde.«, knurrte der andere wütend und trat drohend auf den Bettler zu.
»Geld ist es, was Ihr wollt? Viel ist mir nicht geblieben, aus meinem alten Leben, doch möchte ich Euch dieses Goldstück hier geben. Es ist alles was ich noch habe und sollte mich eigentlich für immer daran erinnern, dass die Gier nach Geld nur das Schlimmste in mir hervorgebracht hat. Dadurch musste nicht nur ich, sondern auch viele Unschuldige leiden. Ist Euch damit geholfen?«, fragte dieser und zog eine Münze aus der Tasche seines zerschlissenen Umhangs. Augenblicklich stürzten sich die Männer darauf, rissen es an sich und machten sich davon.
Die Rückkehr der Quelle
Als wieder Ruhe am Flussufer eingekehrt war und der Bettler sicher war, dass die Angreifer nicht mehr zurückkommen würden, wandte er sich dem Verletzten zu. Doch dieser war verschwunden. An seiner Stelle stand die Göttin und lächelte ihn freundlich an. »Du hast deine Lektion gelernt und ein uneigennütziges Geschenk zum Wohle eines anderen erbracht. Daher will ich den Fluch aufheben. Die Quelle ist wieder an ihren früheren Aufenthaltsort zurückgekehrt. Wenn du darin badest, wird dein Leiden ungeschehen gemacht. Solltest du allerdings jemals wieder mein Geschenk für deinen eigenen Profit missbrauchen, wird die Strafe schlimmer sein als je zuvor.«, sprach sie und wandte sich ebenfalls zum Gehen. »Ich danke Euch aus tiefsten Herzen und verspreche, von nun an Euer treuster Diener zu werden.«, gelobte der Bettler und machte sich ebenfalls auf den Weg.
Wie die Göttin gesagt hatte, war die Quelle an ihren Ausgangspunkt zurückgekehrt. Der Ausschlag verschwand, sobald sich der Bettler in deren Wasser begeben und ausgiebig darin gebadet hatte. Über alle Maßen erfreut, suchte er anschließend die Dorfbewohner auf, um sie vom Wunder und seinem Versprechen zu unterrichten. Gemeinsam errichteten sie neben der Quelle einen Tempel zu Ehren der Göttin, von welchem aus sich der ehemalige Bettler um deren Geschenk kümmern konnte. Tag für Tag, Jahr für Jahr hieß er die Badegäste willkommen und sorgte eifrig für deren Wohl. Ein Entgelt verlangte er jedoch nie mehr für seine Dienste, was seine Seele, im Gegensatz zu früher, keineswegs mehr belastete oder seinem neuen, glücklichen und zufriedenen Dasein, in irgendeiner Weise im Weg stand.
© K.ST.
– Ende –
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